Die biologische Vergangenheit für eine vielfältige Zukunft bewahren

Die Tiroler Gen-Bank

Die genetische Vielfalt in Tirol ist beeindruckend, sie reicht vom Getreide über Kartoffeln bis zum Obst. Seit 100 Jahren sammelt die Tiroler Genbank alte Sorten landwirtschaftlicher Nutzpflanzen. Eine Bank, die auf nachhaltige Schätze setzt, deren Wert das kulturelle Erbe ausmacht, die genetische Vielfalt.

Der Agrarwissenschaftler Erwin Mayr legte mit seiner Sammlertätigkeit 1922 die Basis für die Genbank. Das Tiroler Volkskundemuseum zeigt in seiner Ausstellung in Innsbruck „Land – Sorten – Vielfalt. 100 Jahre Tiroler Genbank“ die Arbeit der Genbank auf dem Acker und in der Forschung: Nahrungsquellen, Artenvielfalt und kulturelles Erbe. Im Innenhof des Museums wird eine Auswahl der mehr als 1.000 erhaltenen Sorten „präsentiert“.
Im Kühllager der Genbank lagern also mehr als 1.000 Saatgutproben und getrocknetes Pflanzengut von 35 verschiedenen Pflanzenarten. Die Minustemperatur beträgt 16 Grad. 70 Kartoffel-Landsorten werden hingegen bei leichten Plusgraden dunkel gelagert. Sie werden jährlich angebaut.
Die Tiroler Genbank zählt mit jener von St. Petersburg weltweit zu den ältesten der insgesamt 1.400 Genbanken. Die Ausstellungsmacher weisen darauf hin, dass die Tiroler Genbank die einzige mit einer derartigen Vielfalt alter Landsorten im alpinen Raum ist.
Landeshauptmann-Vize Josef Geisler kommt ins Schwärmen, wenn er über die Genbank und über die gesammelte Vielfalt redet. Die Genbank sichert „die ungeheure genetische Vielfalt unserer heimischen landwirtschaftlichen Nutzpflanzen und bewahrt unser kulturelles Erbe.“ Aber auch die Zukunft, denn „mit unserem eigenen keimfähigen Saatgut erhalten wir auch die Grundlage unserer Ernährungssouveränität.“ LH-Vize Geisler sieht in der „Genbank eine Schatztruhe und Zukunftsaktie für die heimische Landwirtschaft, die regionale Wirtschaft, die moderne Pflanzenzüchtung und auch die Gastronomie.“
Die alten Landsorten sind nicht auf das ständige Mehr getrimmt, die alten Landsorten verschwanden deshalb in den letzten Jahren von den Tiroler Äckern. Inzwischen gibt es eine zaghafte Renaissance, einige – zwar überschaubare Anzahl – Bauernhöfe bauen wieder die alten Landsorten an. So wird aus der Fisser Imperialgerste Bier gebraut und Whisky gebrannt, „Bio vom Berg“ bietet in seinem Produktsortiment alte Landsorten an und die regionale Küche entdeckt Kemater Weißmais, Rotholzer Trockenbohnen, Wildschönauer Krautrüben oder Brot aus Steiners Rotem Tiroler Dinkel oder Chrystanth-Hanser-Roggen.
„Noch sind regionale Produkte aus alten Landsorten rar. In Zusammenarbeit mit dem Innovationszentrum der Agrarmarketing Tirol wollen wir die Schatztruhe alter Sorten für die Zukunft öffnen und neue Spezialitäten entwickeln und anbieten“, erklärt Agrarlandesrat Geisler. Möglichkeiten gibt es viele: So erfährt etwa der Leinanbau eine Renaissance. Ötztaler Lein, auch Flachs genannt, wurde früher im Tiroler Oberland angebaut. Die Fasern wurden zur Stoffproduktion verwendet. Die Samen enthalten hochwertige Fettsäuren. Ötztaler Lein ist auch in der Samenmischung für „Tiroler Blumenwiesn“ enthalten.
Die Genbank wird von Christian Partl geleitet. Er und sein Team sichern mit ihrer Arbeit, besonders mit der Erhaltungszüchtung, die genetische Vielfalt. So wird das Saatgut immer wieder erneuert und zwar auf einer vier Hektar großen Versuchsfarm. Davon betroffen sind 400 Apfelsorten. 68 seltene Apfelsorten wurden veredelt und stehen unter der Obhut der Sortengärten an der Landwirtschaftlichen Lehranstalt in Imst und in Rotholz.
Die Genbank sammelt, züchtet, veredelt und forscht. Auf einem Forschungsbauernhof arbeiten die Genbank und die Universität Innsbruck zusammen. Im Mittelpunkt steht derzeit das Projekt CerealClimate, mit dem alte und moderne Getreidesorten auf die Trockenheit und ihre Auswirkungen untersucht werden. Alte Landsorten leiden kaum unter der Trockenheit, weniger unter modernen Pflanzenkrankheiten und Schädlingen. Forschen also für die Praxis, um Antworten auf Herausforderungen zu finden, umschreibt Bank-Leiter Partl seine Arbeit.

Die Tiroler Gen-Bank
Ein Überblick – ein historischer Abriss

• 1922: Start der Sammlung und Dokumentation historischer, regionaler landwirtschaftlicher Nutzpflanzen
• 1939: Versuchsfeld in Sistrans
• 1941: Gründung der Landesanstalt für Pflanzenzucht
• 1950: Umbenennung in Landesanstalt für Pflanzenzucht und Samenprüfung
• 1999: Überführung der Tiroler Genbank in die Abt. Landwirtschaftliches Schulwesen und Landwirtschaftsrecht und
Schließung des Standorts in Rinn

Die festgehaltene Vielfalt
• 1.068 Saatgutproben verschiedener Landsorten aus dem alpinen Raum
• davon 700 Getreidesorten, 70 Kartoffel-, 84 Bohnen-, 56 Mohn und 19 Erbsensorten sowie 63 Krautrüben…
• 35 verschieden Arten (Weizen, Gerste, Roggen, Hafer, Emmer, Einkorn, Dinkel, Triticale, Mais, Hirse, Kartoffel, Busch-,
Stangen-, Feuer- und Ackerbohnen, Erbsen, Mohn, Lein, Buchweizen, Rüben, Kraut, Kohl, Brotklee, Tomaten,
Schnittlauch, Zwiebel, Kresse, Wicke, Kürbis, Lupine…)
• 400 verschiedene Tiroler Apfelsorten (Erhaltungszüchtung), davon 68 seltene
• Entwicklung neuer regionaler Spezialitäten aus alten Landsorten
• Chance für moderne Pflanzenzüchtung durch Resistenzen gegen Trockenheit oder Krankheiten