"Ethik im Finanzbereich kann nur in der permanenten Anstrengung, den richtigen Weg zu gehen, erreicht werden"

Direktor Erich Innerbichler

Mutig und phantasievoll

Erich Innerbichler probt schon lange den New Green Deal

„Es ist genugtuend“, sagt der Bozner Raika-Direktor Erich Innerbichler. Er meint damit die eingeschlagene Politik der EU-Kommission, die Wirtschaft umzubauen. Mehr öko, mehr sozial, kurzum nachhaltiger. Die Kommission drängt auch die Finanzwirtschaft, sich zu verändern, ökologisch verträglicher zu werden. Für Innerbichler ist diese Entwicklung sehr befriedigend, eine Bestätigung seiner Arbeit und seines Teams.
Seit 21 Jahren schon bietet die Raiffeisenkasse Bozen über das Label „Ethical Banking“ begünstigte Kredite für besondere Projekte an. Die Raiffeisenkasse sammelt Spargelder zur Unterstützung von Projekten im gerechten Handel, für den bäuerlichen Notstandsfonds, biologische Landwirtschaft, erneuerbare Energien, energetische Sanierung, Handwerk in Südtirol und zugunsten von Menschen mit Beeinträchtigungen. Die SparerInnen entscheiden, wie die Bank mit dem Geld umgehen soll.
Der Sparer verzichtet dabei auf einen Teil seiner Rendite, die Bank auf ihre Zuschläge. Deshalb können die Projekte mit Förderzinssätzen finanziert werden. Diese Art der Finanzierung bieten inzwischen 26 Raikas an, sie verwalten gemeinsam mehr als 26,4 Millionen Euro. „Mit diesem Geld stiften wir Nutzen“, erklärt Direktor Innerbichler, „wird die Selbstverantwortung unterstützt und die Solidarität gefördert“. Direktor Innerbichler ist sich sicher, dass das Ethical Banking im Sinne des Gründers von Raiffeisen ist.

Die Bank als Dienstleister


„Gemeinsam tragen Kunden und die Raiffeisenkassen zu mehr Nachhaltigkeit bei und setzen sich für eine lebenswerte Zukunft ein“, übersetzt der Leiter des Bereichs Ethical Banking, Roland Furgler, die Aussagen von Direktor Innerbichler. Mehr als 2.000 Kunden ermöglichen diese Bank-Dienstleistung und „genau das ist die Aufgabe der Bank“, unterstreicht Erich Innerbichler. Die Bank ist Dienstleister für die Kunden, für die Sparer, die ureigenste Aufgabe. Das Ethical Banking als Rückkehr zu den Grundideen von Friedrich Wilhelm Raiffeisen.
„Der Start Ende der 90er Jahre war stotternd“, erinnert sich Erich Innerbichler. Italienweit drängten genossenschaftliche Kreditgeber der „Mutua Autogestione“ auf die Gründung einer ethischen Bank, um Sozial-Genossenschaften und den fairen Handel mit Kleinkrediten zu unterstützen. Verschiedene Organisationen wie der katholischer Arbeiter-Verband Acli gründeten 1999 die Banca Popolare Etica, die auf dem gesamten Staatsgebiet aktiv wurde. Die Bankmacher kontaktierten in Bozen die Raiffeisenkasse. Der damalige Vizedirektor Erich Innerbichler zeigte Interesse an dem Experiment und suchte nach Unterstützern. Die Idee stieß auf Zustimmung. Für die Unterstützer war aber die neue Bank zu weit weg von Südtirol, warum nicht ein Versuch in Bozen, so die Anregung. Auch banktechnische Schwierigkeiten standen einer Zusammenarbeit mit der Banca Popolare Etica im Weg.
„Wir machen es selber“, entschied sich damals Vizedirektor Innerbichler. Er beauftragte Helmuth Bachmayer mit dem Aufbau der neuen Struktur innerhalb der Bozner Raika. Innerbichler nennt Bachmayer einen rebellischen Zeitgenossen, der als Gewerkschafter vehement die Interessen der Belegschaft vertrat. Eine Entscheidung mit Wirkung, aus dem streitbaren Gewerkschafter wurde ein ethischer Banker.
Das österreichische Bildungswerk schreibt: „Beim Modell „ethical banking“, das der ehemalige Bankgewerkschafter Helmut Bachmayer für die Bozner Raiffeisenkasse 2000 entwickelt hat, handelt es sich um eine Spar- und Finanzdienstleistung, die als „non profit-service“ arbeitet und in erster Linie der sozialen, kulturellen und ökologischen Entwicklung einer Region dient. „Gerechtigkeit“, „soziale Sicherheit“, „lebenswerte Umwelt“ und „lebensnahe Kultur“ lauten die Maximen, an denen sich die Kreditvergabe orientiert. Extrem niedrige, zwischen Sparer/n/innen und Kreditnehmer/n/innen ausgehandelte Kreditzinsen, die allenfalls eine Kostendeckung für die Bank sicherstellen, ermöglichen in Südtirol beispielsweise Biobauern, Weltläden, Sozialgenossenschaften, Energie-Spar-Initiativen oder einem Filmclub, Geld zu erhalten, das es sonst nicht gäbe.“

Ethical Banking – im Geist von Friedrich Wilhelm Raiffeisen


Ganz im Sinne von Friedrich Wilhelm Raiffeisen. Das Raika-Projekt zog Kreise, besonders Banken in Österreich interessierten sich für das Ethical Banking unter dem Dach der Raika Bozen. „Nachahmenswert und machbar“, sagt Erich Innerbichler. Es braucht dazu eine Idee, eine Gruppe von Leuten, die diese umsetzen wollen und den Bedarf an Kleinkrediten. Klingt einfach und überzeugend, Raiffeisen neu gedacht.
Bachmayer-Nachfolger und Innerbichler-Vertrauter, Roland Furgler, führt das Experiment – inzwischen längst ein fester Bereich der Raika Bozen – weiter. Der Kunden-Kreis wächst. Diese Sparer wollen wissen, was mit ihrem Geld passiert, welche Projekte gefördert werden. Gerne unterstützt Ethical Banking auch alternative Finanzierungsformen wie das System des Käsevorverkaufs mittels Gutscheinen des Bio-Bauern Alexander Agethle auf seiner Hofkäserei Englhorn in Schleis im Oberen Vinschgau.
Für Agethle ist der Hofladen ein wichtiges Element, „weil wir über den persönlichen Kontakt die glaubwürdigste Möglichkeit haben, unsere Philosophie auch zu übermitteln, und zum anderen ist der Ab-Hof-Verkauf ein wichtiges Standbein geworden“. Daneben setzt Agethle auch sein Gutscheinprojekt für den Käsevorverkauf erfolgreich um: Der Kunde kauft den Käse vorab und bekommt die investierte Summe als Naturalien zurück. Für 500 Euro beispielsweise bekommt er zehn Jahre lang zwei Kilogramm Käse pro Jahr.
Roland Furgler ist mit der Entwicklung zufrieden. Sein Ziel ist es, die Spargelder als Kredite noch schneller weiterzugeben. Das Prinzip ist und bleibt, unterstreicht Furgler, dass Projekte sinnhaft zu sein haben. Es gilt also weiterhin das Raiffeisen-Prinzip, dass Geld eingesetzt werden soll, um Nutzen zu stiften und die Lebensverhältnisse der Menschen zu verbessern. Furgler hat eine klare Vision: „In zehn Jahren soll Ethical Banking Normalität sein, keine Besonderheit mehr“.

Projekt der kleinen aber nachhaltigen Schritte

Es mag zwar noch der Kreis überschaubar sein, die Tendenz geht aber in diese Richtung. So will die EU-Kommission einen EU-Standard für grüne Anleihen schaffen. Grüne Anleihen sind bei Investoren gefragt, die den Übergang zu einer ökologisch nachhaltigen Wirtschaft mitfinanzieren wollen. Eine europäische Norm für grüne Anleihen kann dazu beitragen, die Ziele des europäischen Green Deal zu erreichen.
Die Emissionen dürften zudem Europas Stellung bei nachhaltigen Geldanlagen festigen. Im Moment werden so viele grüne Anleihen in Euro ausgegeben wie in keiner anderen Währung. Die EU hat bereits die fortschrittlichsten Regeln für nachhaltige Investitionen weltweit und will in den kommenden Monaten einen Standard für grüne Anleihen schaffen. Er könnte die Blaupause für Regeln im Rest der Welt werden und einen guten Teil des Geschäfts mit der grünen Anlage nach Europa bringen – so zumindest die Hoffnung in Brüssel.
Verbraucherorganisationen drängen auf klare Regeln. Wo grün draufsteht, muss auch grün drinnen sein, fordern sie. Etikettenschwindel muss von vorherein verhindert werden, hoffen die Verbraucherschützer.
Auf EU-Ebene ist also einiges in Bewegung. Aber auch in Südtirol sind die Zeichen der Veränderung festzustellen, sagt Raika-Direktor Innerbichler. So änderte die Stiftung Sparkasse ihr Statut ab, hin in Richtung Nachhaltigkeit. Die Raika Landesbank gab im vergangenen Jahr grüne Anleihen in der Höhe von 15 Millionen Euro aus. In diesem Jahr ist eine weitere Ausgabe geplant. Für seine Bank ist das Ethical Banking ein uneinholbares Alleinstellungsmerkmal, sagt Direktor Innerbichler.
Das Ethical Banking der Marke Raiffeisen ist eine Chance für Menschen, die sich verwirklichen wollen. So wurde aus einem studierten Biologen ein Schuster, ein Bio-Bauer baute sich seine eigene Kellerei auf, ein weiterer Bio-Bauer spezialisierte sich auf die Produktion von Sekt. Und, es gibt Geld für Menschen mit Beeinträchtigungen und für bäuerliche Familien in Not. „Wenn das nicht Raiffeisen pur ist,“ sagt der Bozner Raika-Direktor Erich Innerbichler.
Mit dem green washing hat Ethical Banking kein Problem, also mit dem befürchteten Etikettenschwindel. Die Förderprojekte sind im Land, also vor Ort, können von den Sparerinnen und Sparern begutachtet werden. Oder auf dem you tube-Kanal angeschaut werden, Kurzfilme über die unterstützten Projekte. Projekte der kleinen Schritte, sagt Direktor Innerbichler, die vor Ort wirken und verändern.